Der Cellist Walter-Michael Vollhardt und der Pianist Clemens Flick spielten brasilianische Musik.
LAHR. Brasilianische Musik, da denken die meisten an Samba, Salsa und Capoeira, Liebhaber klassischer Musik eventuell noch an Heitor Villa-Lobos. Und bei den Instrumenten denkt man an viel
Percussion, aber nicht als erstes an die Kombination von Cello und Klavier. Doch der Freiburger Cellist Walter-Michael Vollhardt und der in Berlin lebende Pianist Clemens Flick bestritten in
genau dieser Besetzung ein gut einstündiges Konzert, das Lust auf mehr machte.
Das Konzert fand in den Räumen von Baal novo in der ehemaligen Kantine derRoth-Händle auf dem Zeit-Areal statt und war der Auftakt für einen dreitägigen Meisterkurs für Cello an der
Chopin-Akademie, an dem vier junge Cellisten aus Guatemala, Nigeria, Österreich und Deutschland teilnahmen. Auch für sie war ungewöhnlich, was ihr Cello-Lehrer in diesem Konzert präsentierte:
Jazz, klassische Moderne, Romantik, Einflüsse traditioneller brasilianischer Tanzmusik und europäischer musikalischer Strömungen des 19. Und 20. Jahrhunderts, kreativ und ohne Genre-Scheuklappen
kombiniert von brasilianischen Komponisten, die hierzulande nur Spezialisten bekannt sind. Walter-Michael Vollhardt kennt sie, weil er seit 20 Jahren jedes Jahr in Brasilien ist, wo er unter
anderem mit dem Nationalorchester aufgetreten ist. Dabei kann sich Vollhardt nicht nur für die Musik des Landes begeistern, sondern auch für die Lebensfreude und den Humor der Brasilianer. Beides
erklingt im Konzert, das eindeutig mehr als zwei Dutzend Zuhörer verdient gehabt hätte.
Vollhardt und Flick sind ein eingespieltes Team, die die nicht idealen Bedingungen des Raumes, der nur gelegentlich als Konzertsaal dient, einfach überspielen mit Professionalität und
Spielfreude, die sich innerhalb von Minuten auf das Publikum überträgt. Wie sich die beiden bei den "Duas Miniaturas" von Chiquinha Gonzaga (1847 – 1935) ins Zeug legen, wie sie sich in das
melancholische Kaffeehausstück "Lua Branca" hineinversetzen, um bei "Corta Jaca" in lateinamerikanischen Rhythmen zu schwelgen, so dass Cellist Vollhardts Füße – und die des Publikums –
unweigerlich mittanzen – ganz große Klasse. Schön, dass es genau diese beiden Stücke noch einmal als Zugabe zu hören gab. Das kleine Konzert hatte eine besondere Atmosphäre: unprätentiös, nahbar
und neugierig machend auf Musik jenseits von Konzertroutine und Radiotauglichkeit.
Vollhardt, der in der Region auch als ehemaliger Leiter des Ortenau-Orchesters bekannt ist, moderierte knapp und informativ im Plauderton über die Komponisten und Stücke. So erzählte er zum
Beispiel, dass Darius Milhaud in "Le boeuf sur le toit" ein Zitat – oder wohl eher Plagiat – aus einem Tango des brasilianischen Komponisten Ernesto Nazareth verwendet hat. Ganz anders dagegen
der aus Russland stammende Bratschist Serguei Firsanov, der das gleiche Motiv für eine Fantasie genutzt hat, die von Vollhardt und Flick mit Gershwin’schem Schwung umgesetzt werden.
Virtuoser Schluss mit einem Sambatango de Concerto
Clemens Flick ist in diesem Konzert weit mehr als ein Klavierbegleiter. Mit seinem präzisen und leidenschaftlichen Stil beeindruckt er das Publikum, und das, obwohl er eher als Spezialist für
Alte Musik in historischer Aufführungspraxis gilt. Mit einem von Vollhardt als "komplett verrückt" angekündigten "Sambatango de Concerto" von Walter Burle-Marx setzen die beiden Musiker einen
fulminanten, virtuosen Schlusspunkt unter das Konzert, ein Stück, das zugleich von musikalischem Humor zeugt. Großer Applaus und Begeisterung allenthalben.